🇯🇵 Reisebericht zur Japanrundreise

Aufgezeichnet von unserer Mitarbeiterin Ellen Mathey im September 2024.

Tag 1: Ankunft in Tokio

Mein Japan-Abenteuer startete am 9. September – wobei „starten“ fast zu viel gesagt ist. Ich landete abends spät in Tokio, ziemlich übermüdet und halb im Schlafmodus. Die Idee, noch ein wenig durch die Stadt zu streifen, verwarf ich direkt. Stattdessen zog es mich direkt in einen der berühmten Konbinis – diese kleinen 24/7-Supermärkte, die sich im Laufe der Reise noch als wahre Lebensretter entpuppen sollten. Mit einem Bento, einem Sandwich und einem Smoothie in der Hand schleppte ich mich samt großen Tasche Richtung Asakusa zum Hotel. Ich übernachtete im Roboterhotel. Der Check-in wurde tatsächlich von Roboter Dinosauriern durchgeführt, während im Hintergrund kleinere Roboter tanzten. Ein skurriler, aber unvergesslicher erster Eindruck von Japan. Danach hieß es nur noch: Bento auspacken, ins Bett fallen, und Feierabend.

Tag 2: Morgendlicher Zauber & Anime-Paradies

Dank Jetlag war ich schon vor Sonnenaufgang hellwach – und genau das wurde zu einem der schönsten Momente der Reise. Um halb sechs morgens stand ich am Sensō-ji-Schrein in Asakusa, fast allein, umgeben von Räucherschwaden und der aufgehenden Sonne. Diese Ruhe, die Gebete der ersten Besucher und das Knirschen der Kieswege unter meinen Füßen schufen eine beinahe magische Stimmung. Und dort begann auch meine kleine Obsession: Goshuin. Tempelstempel, kunstvoll von Mönchen ins Heft geschrieben – ab jetzt war jeder Tempel ein potenzielles Sammelziel. Danach ging’s hoch hinaus – auf den Tokyo Skytree. Über 600 Meter ragt er über die Stadt, und der Blick von oben? Atemberaubend. Der gläserne Boden sorgte für leicht weiche Knie, aber der Ausblick ließ Tokio wie ein niemals endendes Häusermeer erscheinen. Der Nachmittag gehörte Akihabara – Japans Mekka für Anime-Fans. Gacha-Automaten, riesige Bildschirme mit Anime-Openings, Figuren in allen Größen – ich war im Himmel. Stundenlang lief ich durch die schrill beleuchteten Straßen, umgeben von Popkultur, Retrospielen und Cosplays.

Tag 3: Nebel, Ninjas und ein Piratenschiff

Heute stand ein Tagesausflug zum Mount Fuji auf dem Plan – geleitet von Katsu, einem super sympathischen Guide in meinem Alter. Es war weniger eine geführte Tour, mehr ein spaßiger Roadtrip mit Fremden, die sich überraschend schnell wie Freunde anfühlten. An der fünften Station des Fuji angekommen, begrüßten uns Nebel, Wind und ein fast vollständig versteckter Gipfel. Trotzdem war die Stimmung besonders. Danach ging es mit einer Seilbahn zu einem Aussichtspunkt – wobei uns der Wind gefühlt vom Berg pusten wollte. Trotzdem: Postkartenblick. Das Mittagessen war dann ein Erlebnis der anderen Art: Ein Ninja-Restaurant mit verkleideten Kellnern, Rauch, versteckten Türen und kleinen Showeinlagen. Überraschend gutes Essen inklusive. Und als wäre der Tag nicht schon verrückt genug, machten wir am Ende eine kurze Bootsfahrt mit einem Piratenschiff über den Ashi-See – klischeehaft? Vielleicht. Aber mit Wind im Gesicht, Mount Fuji im Hintergrund und einem redseligen Kleinkind an der Seite, war es irgendwie das perfekte Chaos.

Tag 4: Kontraste in Tokio

Wieder frĂĽh wach, besuchte ich morgens den Meiji-Schrein – ein Ort, der wie ein Ruhepol mitten im GroĂźstadtdschungel wirkt. Riesige Holztore, schattige Waldwege, betende Menschen und summende Insekten – eine fast spirituelle Atmosphäre. Leider auch summende Moskitos, die mich gnadenlos attackierten. Aber hey – neuer Tempel, neuer Stempel! Im krassen Gegensatz dazu stand der nächste Programmpunkt: Shibuya. Erst ein kurzer Besuch bei der HachikĹŤ-Statue – klein, aber rĂĽhrend – dann ab in den Trubel. Shibuya Crossing ist genau so ĂĽberwältigend wie man es sich vorstellt.  Den RĂĽckweg meisterte ich eher unfreiwillig sportlich – ich verlief mich gnadenlos in der riesigen Shibuya Station. Nach 20 Minuten planlosem Umherirren fand ich zum GlĂĽck zufällig den richtigen Ausgang.

Tag 5: Pandas, Tempel und Geduld

Der Plan: Ein entspannter Tag mit ein bisschen Zoo und ein paar Tempeln. Die Realität: Eine Stunde in der Sonne warten, um Pandas zu sehen. Im Ueno Zoo war die Schlange für die Panda-Anlage zwar lang, aber: ich hielt durch. Die Belohnung? Fünf Minuten im Vorbeigehen mit Blick auf die faul dösenden Schwarz-Weißen. Stresslevel: hoch. Niedlichkeitsfaktor: auch. Danach suchte ich gezielt nach Ruhe und fand sie in mehreren kleinen Tempeln in der Nähe. Mein Goshuin-Buch füllte sich weiter – und meine Liebe zu diesen stillen Orten wuchs mit jedem Besuch.

Tag 6: Historisches Nikko

Endlich raus aus Tokio: Tagesausflug nach Nikko. In Nikko angekommen, wartete pure Geschichte auf uns. Die Mausoleen der Tokugawa-Familie waren beeindruckend – filigrane Schnitzereien, vergoldete Hallen, jahrhundertealte Stille. Besonders faszinierend war ein akustischer Effekt in einer der Hallen: Klopfgeräusche, die wie fallende Wassertropfen klangen. Später ging es weiter zum Chuzenji-See – ruhig, kĂĽhl, entspannend. Ich unterhielt mich dort mit zwei älteren Herren, die mir auf ihre Weise etwas ĂĽber die Berge erzählten.  Letzter Halt: die 97 Meter hohen Kegon-Fälle. Laut, wild, wunderschön – ein wĂĽrdiger Abschluss dieses Ausflugs.

Tag 7: Enoshima, Kamakura und Yokohama

Geplant war ein klassischer Tagesausflug nach Kamakura, Enoshima und Yokohama. Was ich nicht wusste: Ich hatte versehentlich eine chinesischsprachige Tour gebucht. Der Moment, als ich als einzige Nicht-Chinesin in den Bus stieg? Unbezahlbar. Verwirrung auf allen Seiten – doch man ließ mich freundlicherweise mitfahren. Das Beste: Ich lernte eine junge Mitreisende kennen, ebenfalls allein unterwegs. Wir verstanden uns auf Anhieb und verbrachten den Tag zusammen. Kamakura, mit der berühmten Küstenbahn Enoden, wirkte wie aus einem Anime entsprungen. In Enoshima sammelte ich natürlich erneut einen Tempelstempel, wir aßen Burger mit Meerblick und genossen die entspannte Stimmung. Yokohamas Chinatown bildete den krönenden Abschluss – bunt, laut, voller Leben und Laternen. Ein chaotischer, wunderbarer Tag.

Tag 8: Kyoto

Heute ging es mit dem Shinkansen nach Kyoto. Die Landschaft rauschte an mir vorbei – Reisfelder, Berge, kleine Dörfer – während ich innerlich spĂĽrte, wie alles einen Gang herunterfuhr.  Nach dem Einchecken schlenderte ich planlos durch die Stadt – und landete zufällig im Nintendo Store. FĂĽr mein inneres Kind ein absoluter Volltreffer: Mario, Zelda, PokĂ©mon – alles vereint wie in einem Museum meiner Kindheit. Am Abend, obwohl mĂĽde, zog es mich noch zum Fushimi Inari-Schrein. Hunderte rote Torii-Tore, nächtliche Stille, das Rascheln im Bambus – ich war fast allein dort. Gruselig? Ein bisschen. Friedlich? Sehr.

Tag 9: Kulturrausch in Kyoto

Früh am Morgen besuchte ich die Nijō-Burg – ein riesiges Areal mit Tatami-Matten, Wandmalereien und einem ganz besonderen Detail: dem Nachtigallenboden. Jeder Schritt erzeugt ein leises Zwitschern – historisch clever, um Eindringlinge zu entlarven. Danach trieb ich durch Kyotos Tempelwelt. Geplant, ungeplant, einfach den Gassen folgen. Manchmal ganz allein, zwischen Steintoren, Treppen, Stille. Der Nishiki-Markt war dann wieder das komplette Gegenteil: voll, laut, kulinarisch wild. Matcha-Eis, frittierte Köstlichkeiten, ein Oktopus-Snack – alles gleichzeitig, alles faszinierend.

Tag 10: Nara

In Nara angekommen, sprach mich direkt ein japanischer Schüler an – Schulschwänzer aus Langeweile, sein Plan: mir die Stadt zeigen. Also los. Im Nara-Park liefen Rehe frei herum – anfangs niedlich, bis sie merkten, dass ich Reh-Cracker hatte. Ein Reh biss mich kurzerhand in den Hintern. Mein neuer Begleiter lachte Tränen. Trotzdem war der Tag wunderschön: große Tempelanlagen, moosbedeckte Laternen, Seerosen am Teich. Und ein perfekt gepflegter Garten als ruhiger Abschluss.

Tag 11: Osaka – Streetfood und Retrocharme

Heute ging es mit dem Zug nach Osaka – einer Stadt, die laut, bunt und charmant chaotisch ist. Schon in Dōtonbori tobte das Leben. Überall blinkende Neonreklamen, der ikonische Glico-Mann, eine riesige mechanische Krabbe und der Duft von Streetfood in der Luft. Natürlich probierte ich Takoyaki – kleine, heiße Teigbällchen mit Oktopusfüllung – direkt am Straßenrand. Danach ein saftiger Okonomiyaki, frisch vom heißen Grill. Weiter ging es nach Shinsekai, ein Viertel mit Retro-Charme, alten Spielhallen, schrillen Leuchtreklamen und einer Prise Nostalgie. Hier fühlte ich mich wie in eine andere Zeit versetzt. Zum Abschluss besuchte ich den Namba Yasaka-Schrein mit seiner riesigen Löwenbühne – imposant, skurril und perfekt für ein letztes Osaka-Selfie.

Tag 12: Arashiyama & TempelglĂĽck

Zurück in Kyoto machte ich mich früh auf den Weg nach Arashiyama. Der berühmte Bambuswald war trotz erster Besuchergruppen ein fast meditativer Ort. Die hohen, dichten Bambushalme raschelten leise im Wind und tauchten den Weg in grünliches Licht. Ich überquerte die Togetsukyō-Brücke, besuchte den nahegelegenen Affenpark und genoss die Aussicht über das Tal. Anschließend zog es mich wieder auf Tempelpfade – einige groß und prachtvoll, andere klein und fast familiär. In einem dieser stillen Schreine empfing mich eine ältere Frau herzlich und fertigte mir mit ruhiger Hand einen kunstvollen Tempelstempel an – mit Tusche, Farben und Pinsel. Ein Moment voller Schönheit und Respekt.

Tag 13: Motoren, Neon und Adrenalin

Zurück in Tokio ging es am Abend zum Daikoku Parking Area – ein Treffpunkt der Tuning-Szene. Dort standen glänzende Sportwagen, tiefgelegte Boliden mit Unterbodenbeleuchtung und aufgemotzte Klassiker in Reih und Glied. Die Atmosphäre war elektrisierend. Ich kam mit einigen Fahrern ins Gespräch – und dann die Krönung: Ich durfte bei einer nächtlichen Spritztour in einem getunten Nissan Silvia S15 mitfahren. Motorenheulen, Scheinwerferblitze, das Gefühl von Geschwindigkeit – wie aus einem Film. Später besuchte ich noch einen kleinen Tuning-Shop, stöberte durch Felgen, Spoiler und Turbo-Bausätze, bevor ich zurück ins Hotel fuhr – mit dem Grinsen eines Adrenalinjunkies.

Tag 14: Harajuku & Abschied

Am letzten Tag besuchte ich Harajuku – ein kreativer Schmelztiegel aus verrückter Mode, schrillen Läden und mutigen Persönlichkeiten. Zwischen pinken Perücken, Rüschenröcken und Oversize-Streetwear traf ich auf eine resolute Verkäuferin, die mich modisch einmal komplett neu sortierte – scharfzüngig, aber irgendwie liebenswert. Ich ließ mich noch ein letztes Mal durch die Straßen treiben, sog das bunte Chaos in mich auf und verabschiedete mich langsam innerlich von Japan.

Am Nachmittag ging es zum Flughafen – mit dem Koffer voll Souvenirs und dem Kopf voller Erinnerungen. Und mit dem festen Plan: Ich komme wieder.